Da sage noch jemand es gebe keinen Fortschritt in Deutschland. Die Kinder der Nazis machen heute Wellness-Kurse mit „Sauerstoffduschen“[1], sind nicht mehr Mitglied in der Schutzstaffel (SS), dafür „Fitness-Coach“. So z.B. ein Fan von Alfred Grosser, „Dieter Schäfer“ aus Baden-Württemberg. Schäfer hat sich bei www.juedische.at über einen kritischen Text zu Alfred Grosser[2] beschwert und ihn als „Hetzerei“[3] bezeichnet. Grosser wiederum hat diesem sich selbst so bezeichnenden „Nazisohn“ vor Jahrzehnten die „Versöhnung“ angeboten, so von Jude zu „Nazisohn“.

 

Alfred Grosser ist ein jüdischer Entsorger der deutschen Vergangenheit, welcher am liebsten am 9. November über böse Juden anstatt über Antisemitismus und die Verbrechen der Deutschen redet. Grosser hat allerspätestens am 9. November 2010 in der Paulskirche die Wiedergutmachung der Deutschen auf neue Spitzen getrieben. Er hatte angekündigt, an genau diesem 72. Jahrestag der Pogromnacht über Israel und Juden als Täter reden zu wollen und er hat es getan.  Das ist antisemitisch und erinnert an Hohmann. Für sekundären Antisemitismus sind eine Erinnerungsabwehr respektive eine Schuldprojektion auf den jüdischen Staat kennzeichnend.[4]

 

Doch Hohmann war ein kleines Würstchen verglichen mit Grosser, dem preisgekrönten[5] Kronzeugen. Die Stadt Frankfurt hat Grosser eingeladen und die Jüdische Gemeinde bzw. der Zentralrat der Juden spielten das Spiel natürlich mit – um „das Schlimmste“ zu verhüten[6].

 

All das hätte ahnen können wer je von Alfred Grosser etwas gelesen hat. Allein sein Text vom 20. Februar 2007 in der Frankfurter Rundschau zeigt, dass er den neuen Antisemitismus so zielsicher zu bedienen weiß[7] wie die Hamas die Qassam-Raketen.

 

Zu Grosser und „jüdischem Antisemitismus“ hat der Historiker Arno Lustiger am 18. September 2008 in der FAZ alles Nötige gesagt.[8]

 

Natürlich hat Micha Brumlik, der sich mediengerecht als Kritiker von Grosser in Szene setzte, im Ernst gar kein Problem mit der Diminuierung, Derealisierung und – Infantilisierung – des Phänomens Antisemitismus.

 

Nur einen Tag vor Grosser sprach auch Brumlik in Hessen. Er sprach beim „Förderverein zur Geschichte des Judentums im Vogelsberg“. Brumlik sagte demnach, laut einem Bericht des Lauterbacher Anzeigers:

 

„Der Distanzierung der Politiker [gegenüber Sarrazin, d.V.] aus allen großen Parteien stellte Micha Brumlik das Bild des von denselben Politikern geschaffenen „integrationsunwilligen Ausländers“ gegenüber, der nun als Feindbild fungieren könne – so wie in der NS-Zeit die Juden, im Stalinismus die Trotzkisten oder in der BRD der Achtziger Jahre die Asylanten.“[9]

 

Das ist infantil, schon wieder. Grosser und Brumlik möchten offenbar Kindern (als welche die Gesellschaft hier imaginiert wird) sagen, dass Juden sowas wie „integrationsunwillige Ausländer“ waren. Jede Spezifik des Antisemitismus, sein Irrationalismus, seine Rede von der Weltverschwörung, der Blood Libel, den jüdischen Kapitalisten, Kommunisten, Humanisten, Liberalen, Sozialisten etc. etc., oder die Fantasie von den Juden als Christusmörder, als Brunnenvergifter, dem „ewigen Juden“ wird negiert. Brumlik hat demnach kaum Ahnung von der Spezifik und der Geschichte des Antisemitismus.

 

Kinder müssen zudem denken, dass Trotzkisten in Sibirien vergast wurden. Was ist eigentlich Geschichtsrevisionismus?

 

Die Stadt Alsfeld in Hessen wirbt auf ihrer Seite mit dem Slogan „Tradition grüßt Zukunft“[10]. Sie wirbt auf ihrer „Aktuell“-Seite mit einem Zeitungsartikel zu Brumliks Vortrag unter dem Titel „Die Antisemiten von einst sind die Antiislamisten von heute“.

 

Tatsächlich scheint der Professor gesagt zu haben, wie die zitierte Presse berichtet:

 

„‘Die Antisemiten von damals sind die Antiislamisten von heute‘, so Micha Brumlik später in der Diskussion.“

 

Demnach dürfen nicht mal „Islamisten“ als solche benannt und kritisiert, geschweige denn zur Rechenschaft gezogen werden, wie von Drohnen in Afghanistan oder Pakistan.

 

Kinder sollen offenbar lernen: so wie die Islamisten am 11. September fast 3000 Menschen im World Trade Center in New York City ermordeten; so wie die Islamisten wie Osama Bin Laden oder Yusuf al Qaradawi aufrufen die „Ungläubigen“ zu attackieren, wo immer man sie treffe; so wie die Jihadisten in Madrid, London, Bali, Bagdad, Mumbai, Djerba, Jerusalem, Tel Aviv, Islamabad und vielen anderen Orten ungezählte Menschen zerfetzten – so ungefähr handelten früher die Juden und wurden dafür bestraft, von „Antisemiten“.

 

Das ist die logische Konsequenz der Gleichsetzung von „Antisemit“ und „Antiislamist“.

 

Islamisten sind für die genannten Verbrechen verantwortlich und werde dafür zur Rechenschaft gezogen (so gut es geht). Also müssen die Juden früher auch solche Verbrechen begangen haben, bevor die „Antisemiten“ aktiv wurden.

 

Kinder (somit wir alle) sollen lernen: „böse Amerikaner töten arme Islamisten“, so wie früher Deutsche Juden töteten. Die Welt ist schlecht, aber zum Glück gibt es ganz sensible und kluge Menschen wie Alfred Grosser oder Micha Brumlik (und natürlich Wolfgang Benz und das Zentrum für Antisemitismusforschung), die rücken dann wieder alles ins Lot.

 

Für alle anderen hilft womöglich ein Bad unter der „Sauerstoffdusche“, Nordic-Walking oder ein anderes Fitness-Programm.

 

 

 


[1] „Wege zur Sonne – Hoch oben in Dobel. Westwegwanderer wissen es, Reizklima-Liebhaber wissen es auch: Dobel im Nordschwarzwald liegt hoch oben. Auf dem Weg zur Sonne. Sauerstoffdusche mit Fitness-Coach (…). Jeder Atemzug eine Sauerstoffdusche. Man sollte es mal mit einem Intensivprogramm im Nordic Aktiv Zentrum von Dobel probieren. Als persönlicher Fitness-Coach übernimmt Dieter Schäfer die Regie. Fitness- und Ernährungsberatung, Gewichtsmanagement und Trainingskontrolle aus einer Hand. Das mit dem Premium-Siegel des Deutschen Skiverbandes (DSV) und der Deutschen Sporthochschule Köln ausgezeichnete Ganzjahreszentrum für nordische Fitness bietet beste Voraussetzungen für den Erfolg“, http://wandermagazin.de/page.asp?pageID=803&backID=10&land=bw&region=378 (12.11.2010).

[5] „1975 Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels als „Mittler zwischen Franzosen und Deutschen, Ungläubigen und Gläubigen, Europäern und Menschen anderer Kontinente“. 1978 Theodor Heuss Medaille
1986 Goethe Plakette der Stadt Frankfurt
1994 Wartburg Preis
1996 Schiller Preis der Stadt Mannheim
1998 Grand Prix de l’Academie des Sciences morales et politiques
2001 Dr. h.c. in Birmingham und Minsk
2002 Humanismus Preis der Altphilologen
Großes Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband
Grand officier de la Légion d’Honneu“ (http://www.abraham-geiger-kolleg.de/abraham_geiger_preis/index.php 12.11.2010). 2004 Abraham Geiger Preis: „In der Begründung heißt es: ‚Sie, verehrter Alfred Grosser, haben sich stets als Verteidiger des Erbes der Aufklärung verstanden. Mit Mut sind Sie für die Freiheit der Meinungsäußerung eingetreten und haben für Offenheit und Toleranz plädiert. Selbst jüdischer Emigrant aus Nazi-Deutschland, haben Sie beherzt auch die Position mancher israelischer Politiker kritisiert, wenn Sie es der Wahrheit für schuldig hielten. Das hat Ihnen nicht immer Beifall eingetragen‘ “ (ebd.).

[7] „Warum ich Israel kritisiere. 68 Prozent der Israelis wollen nicht mit Arabern in einem Haus leben. Wer aber nur noch Solidarität mit der eigenen Gruppe übt, verliert etwas Entscheidendes am Menschsein – meint Alfred Grosser“, in: Frankfurter Rundschau, 20. Februar 2007.

[8] Arno Lustiger (2008): Jüdischer Antisemitismus. Kurzer Lehrgang über den Selbsthass, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. September 2008.

[9] „Die Antisemiten von einst sind die Antiislamisten von heute“. 10.11.2010 – ALSFELD. Prof. Micha Brumlik referierte über aktuelle Formen des Rassismus und Antisemitismus, in: http://www.lauterbacher-anzeiger.de/lokales/vogelsbergkreis/alsfeld/9617038_1.htm (11.11.2010). Die Oberhessische Zeitung bringt denselben Bericht. Darin heißt es zu Beginn:

„(gsi). In jedem Jahr bieten die Tage um den Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November 1938 Anlass zur intensiven Auseinandersetzung mit Rassismus und Antisemitismus. Am Vorabend dieses Gedenktages stellte der Förderverein zur Geschichte des Judentums im Vogelsberg den Bezug zur Gegenwart her. Mit dem Erziehungswissenschaftler Prof. Micha Brumlik konnten Joachim Legatis und Michael Riese einen der profundesten Kenner und Analytiker dieses Themas im Alsfelder Regionalmuseum begrüßen. Ein Angebot, das auf großes Interesse stieß, wie die Zuschauerzahlen belegten.

Der Abend startete mit einer Performance der AG „Darstellendes Spiel“ der Jahrgangsstufe 12 der Albert-Schweitzer-Schule. Darin ging es um „Manipulation“: Ausgehend von zwei einzelnen Personen wurde mit immer mehr Menschen die gleiche Bewegung eingeübt. Wie von einem Sog getrieben, machten schließlich alle mit, als sich die Geste am Ende zu einem nach vorn gestreckten Arm verwandelte – alle, außer einem, der als einziger abseits der Gruppe stand und sich auch optisch abhob“ (http://www.oberhessische-zeitung.de/lokales/alsfeld/9617038.htm 12.11.2010).