Zuerst publiziert auf LizasWelt am 5. April 2007

Es war der 12. August letzten Jahres, als sich der Theologe Eugen Drewermann im ostwestfälischen Paderborn im Rahmen einer „Kundgebung gegen den Krieg im Nahen Osten“ einmal mehr als Starredner feiern ließ. Umgeben von verschleierten muslimischen Frauen zog er mit Verve gegen Israel und die USA zu Felde und ließ nichts aus, was er an antizivilisatorischen, antijüdischen und deutschnationalen Ressentiments in seinem Repertoire beherbergt. Der Ort seiner Ansprache war dabei passend gewählt, und das weniger deshalb, weil Drewermann in Paderborn studierte, arbeitete und heute als Lehrbeauftragter an der dortigen Universität tätig ist, sondern weil diese Stadt für solche Brandreden geradezu prädestiniert ist. In ihr steht beispielsweise das Hermann-Löns-Stadion, in dem der SC Paderborn 07 seine Zweitligaspiele austrägt. Namensgeber Löns hatte einen der meistverkauften völkischen Blut-und-Boden-Bauernromane des 20. Jahrhunderts verfasst; er war ein „Freund der Heide“, und die Nazis mochten ihn sehr. Kein Wunder:

„Ich bin Teutone hoch vier. Wir haben genug mit Humanistik, National-Altruismus und Internationalismus uns kaputt gemacht, so sehr, dass ich eine ganz gehörige Portion Chauvinismus sogar für unbedingt nötig halte. Natürlich passt das den Juden nicht.“

Der von Löns verteufelte Internationalismus ist auch für Dr. Eugen Drewermann, Jahrgang 1940 und eine Art männliche Antje Vollmer, das Feindbild:

„Der konsequent gehandhabte Pazifismus wäre ein sicherer Weg gewesen, den Faschismus zu verhindern. […] Mir scheint, dass Adolf Hitler uns erspart geblieben wäre, hätten die Nationen 1920 nicht einfach einem einzelnen Volk die Schuld an allem, was geschah, aufgebürdet, sondern den Beschluss gefasst, auf allen Seiten abzurüsten, und hätten sie dem deutschen 60-Millionen-Volk die Schande erspart, als einziges abrüsten zu müssen.“ (1)

Eine solche Schuldprojektion ist typisch für den sekundären Antisemitismus nach 1945. Nicht der Antisemitismus der Deutschen ist schuld an Auschwitz, nein: Versailles! Das ist das Märchen und die aggressive Propaganda, die nicht nur von ordinären Holocaustleugnern verbreitet wird, sondern auch von anderen Nationalisten, von Schriftstellern wie Martin Walser oder eben einem Theologen wie Drewermann.

Gegen Ende des Nationalsozialismus war dieser anscheinend Zeuge eines alliierten Luftangriffs auf seine Geburtsstadt Bergkamen. Der Knirps war ganz schockiert, dass all die arischen Erwachsenen, die sonst so glücklich waren, auf einmal Angst hatten, wie Uwe Birnstein und Klaus-Peter Lehmann in ihrem Buch „Phänomen Drewermann“ berichten:

„Auf tausenden Seiten zur menschlichen Grundbefindlichkeit hochstilisiert, wird Drewermanns Kriegserlebnis Jahrzehnte später zum Schlüsselbegriff für Millionen Gläubige. Die kindliche Verarbeitungsmethode dieses Schreckens wird er in vermeintlich erwachsener Form seinen Anhängern predigen: ‚Ich muss das sehr früh kompensiert haben mit der Hoffnung, dass es irgendwo doch eine Sicherheit gäbe. […] Ich hab sie gesucht, […] in meinem Kopfkissen, in meinem Teddybär.’“ (2)

So ist es kein Wunder, dass der Paderborner Gottesgelehrte später behauptete:

„Die träumende Imagination, nicht das begriffliche Denken bestimmt die Grunderfahrung des Religiösen.“ (3)

Begriffe sind im Unterschied zu Teddybären also nicht die Freunde des allseits beliebten Seelsorgers und Tiefenpsychologen. Er setzt sie als Ressentiment ein, nicht als Mittel zur Wahrheitsfindung. So kreierte er letztes Jahr zur Zeit des Libanon-Krieges eine neue Form der Holocaustrelativierung, die herkömmliche Negationisten vor Neid erblassen lassen dürfte:

„Streubomben einzusetzen bedeutet, eine ganze Fläche so groß wie einen Sportplatz, mit einer einzigen Bombe zu belegen, die die menschlichen Leiber bis zur Unkenntlichkeit zerfetzen. Brandbomben einzusetzen, wissen die Älteren hier aus Paderborn in der eigenen Erinnerung sich noch zu vergegenwärtigen, besteht darin, Menschenleiber in lebendige Fackeln zu verwandeln. Das ist im wörtlichen griechischen Sinn eine Ganzkörperverbrennung, ein Holocaustoma. Will Israel dieses grauenhafte Wort tatsächlich in seine Praxis übernommen wissen? Kann es im Sinne eines israelischen Selbstverständnisses liegen, diese Art von Praxis im Umgang mit Menschen zu legitimieren?“

Und damit nicht genug: Drewermann hat auch etwas in petto, das gut zum friedensbewegten Alarmismus wegen der angeblichen ökologischen Folgen dieses Krieges passt. Bereits vor sechzehn Jahren ergänzte er nämlich seinen Antisemitismus um ein traditionell antijudaistisches Element:

„Auch das Christentum, das politisch und kulturell das Erbe der Römer antrat und damit das ‚Abendland’ begründete, hat den Anthropozentrismus der römischen Grundeinstellung und die Fremdheit gegenüber der Natur keinesfalls gemildert, sondern eher noch aufgrund des jüdischen Ansatzes gesteigert. Die Religion Israels, von der das Christentum wesentlich geprägt ist, besaß zur Natur von vornherein ein außerordentlich heikles Verhältnis.“ (4)

Nun erhielt Drewermann zusammen mit dem Saddam-Freund und Volksbarden Konstantin Wecker – dem Datteln im Palast des seinerzeitigen irakischen Diktators doch näher standen als die Kritik am Judenhass des Ba’thismus oder die Abscheu vor dem Blut der hingemetzelten Kurden im Nordirak – den Erich-Fromm-Preis. Schlimm genug und Ausdruck der Liebe zur Regression allemal. Doch was hat das Internetportal haGalil geritten, auch noch für den Deutschen Drewermann zu werben, den die christlichen Schwaben im Mozartsaal der Liederhalle in Stuttgart bei der Preisverleihung feierten? Oder war die Publikation der Laudatio auf Wecker und Drewermann als Dokumentation des Schreckens gedacht? Gar ironisch gemeint? Wohl kaum.

 

Anmerkungen:
(1) Zitiert nach Uwe Birnstein/Klaus-Peter Lehmann (1994): Phänomen Drewermann. Politik und Religion einer Kultfigur, Frankfurt am Main: Eichborn, S. 91f.
(2) Birnstein/Lehmann 1994: 14
(3) Eugen Drewermann (1984): Tiefenpsychologie und Exegese. Band I. Die Wahrheit der Formen. Traum, Mythos, Märchen, Sage und Legende, Olten/Freiburg: Walter-Verlag, S. 16f.
(4) Eugen Drewermann (1991): Der tödliche Fortschritt. Von der Zerstörung der Erde und des Menschen im Erbe des Christentums, Freiburg/Basel/Wien: Herder, S. 71