Micha Brumlik, die Evangelische Akademie Arnoldshain und KONKRET

 

Die Europäische Union wird immer größer. Am 1. Juli 2013 kam der Nationalstaat Kroatien hinzu. Kroatien ist aus dem fürchterlichen, blutigen Krieg gegen Jugoslawien in den 1990er Jahren entstanden. Dazu gibt es schon jetzt die Staaten Slowenien und Bosnien-Herzegowina, sowie „Kosovo“ und Serbien, die alle auch in die EU wollen bzw. schon Mitglied sind.

Wenn man sich den Nahen Osten anschaut, erkennt man folgende offizielle ethnisch-religiöse Konstellation (die gleichwohl nicht berücksichtigt, dass viele Menschen als religiös klassifiziert werden, obwohl sie das evtl. gar nicht sind), basierend auf Zahlen aus dem Jahr 2009: die Bevölkerung Marokkos besteht aus nicht weniger als 99% Muslimen, Algerien hat 98% Muslime, Libyen 96,6% Muslime, Saudi-Arabien 97% Muslime, Jemen 99,1% Muslime, Ägypten 94,6% Muslime, Tunesien 99,5% Muslime, die Türkei 98% Muslime, die Palästinensische Authority (PA) 98% Muslime, der Iran 99,4% Muslime, der Irak 99% Muslime, lediglich der Libanon hat 40% Christen und ‚nur‘ 59,3% Muslime, Katar, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate haben zumeist aus Gründen des Arbeitsmarktes prozentual relativ viele Migranten (bzw. Teilzeit-Migranten, Tagelöhner etc.) und zwischen 76% und 87% Muslime.

Israel hat 74,6% Juden, 16,7% Muslime, zudem christliche und andere Minderheiten.

 

Erinnert sich irgendjemand an aggressive, obsessive, mit Schaum vor dem Mund geführte Debatten über eine „Ethnokratie“ in Marokko, Saudi-Arabien oder der PA? Gibt es Kampagnen gegen den homogenen Charakter Marokkos, Saudi-Arabiens oder der PA?

 

Das einzige Land weltweit, das zumal Deutschen und den in Deutschland lebenden so sehr am Herzen liegt, dass sie es mit Lust zerstören wollen, ist Israel. Jüngstes und besonders durchdachtes, generalstabsmäßig geplantes Manöver ist ein Text des „Pädagogen“ Micha Brumlik in der einzigen Publikumszeitschrift der Linken in diesem Land, KONKRET. Bereits im letzten Monat wurde der Text angekündigt und im Juli-Heft ist er nun erschienen: „Plan B“.

Wie immer legt Brumlik seine jüdische Identität in die Waagschale, um jedweder Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen, und KONKRET scheint überglücklich zu sein, einen Vortrag, den der bundesweit bekannte und für seine Koscherstempel für Antisemiten unterschiedlicher Art (wie die Adorno-Preisträgerin Judith Butler, die zum Boykott Israels aufruft und Israel einen „Apartheidstaat“ nennt) bekannte Mann bereits in der Evangelischen Akademie Arnoldshain halten durfte, zu drucken.

Brumlik stellt einige aktuelle Bücher und Ansätze bezüglich Israel und den Arabern/Palästinensern vor, was jedoch nur Mittel zum Zweck ist: er möchte eine Idee von Martin Buber aus dem Jahr 1947 in die heutige Zeit retten und Israels jüdischen Charakter zerstören, um einen „binationalen“ Staat zu schaffen. Ein Kernpunkt Brumliks ist die ungeheuerliche, unfassbar antijüdische Idee, Juden das Rückkehrrecht nach Israel zu verweigern! O-Ton KONKRET:

„Einwanderung in den neuen Staat [Israel/Palästina] hingegen sollte das nationale Parlament nur nach arbeitsmarktspezifischen beziehungsweise humanitären Gesichtspunkten regeln, nicht mehr nach ethnischen Kriterien.“

Dieser harmlos daher kommende Satz ist vielleicht aggressiver und wirkungsmächtiger als alle Propaganda von NPD, der Linkspartei, den Grünen, der SPD, autonomen Neonazis, deutschen ‚Friedensgruppen‘, der jungen Welt und Ulrike Putz vom Spiegel und tausenden anderen Korrespondenten, Autorinnen, Gruppierungen und Hetzseiten im Internet in den letzten Jahren. Mit der vorgeblichen Nüchternheit eines 1947 in der Schweiz geborenen Pädagogen wird hier lachend Juden das unbedingte Recht auf Zuflucht verweigert. Evangelische Akademien wie auch KONKRET jubilieren zumal deshalb, da dieser Vorschlag von einem Juden kommt: besser kann eine tödliche Obsession gar nicht verpackt sein.

Antisemitismus ist eine „lethal Obsession“, so der Titel eines so umfangreichen wie beeindruckenden Buches des israelischen Historikers Robert S. Wistrich von 2010. Diese tödliche Obsession zeigt sich im Diffamieren des jüdischen Charakters Israels, während Brumlik nicht ein einziges Buch und nicht eine einzige Kampagne gegen den äußerst ethnisch homogenen Charakter Marokkos oder Saudi-Arabiens verfasst hat.

Doch das Problem ist grundsätzlicher Art. Wie der israelische Historiker Yoram Hazony in seinem Buch „The Jewish State“ im Jahr 2000 zeigt, waren es gerade deutsche Juden wie Martin Buber, Hannah Arendt und dutzende andere, die in den 1920er, 1930er und 1940er Jahren Israel als binationalen Staat konzipiert wissen wollten und schon damals die Aggressionen vieler Araber und Muslime schlicht ignorierten (Stichwort: Massaker von Hebron 1929, um nur ein Beispiel zu nennen).

Hazony hat seinen Ansatz in zwei Texten im Jahr 2010  verdeutlicht: demnach geht es bei der Kritik des Antizionismus keineswegs nur um inakkurate, uninformierte oder bloß lästerliche Berichterstattung bezüglich Israel. Nein. Es geht um einen „Paradigmenwechsel“, so Hazony. Die Europäer, die sich gerne als Herrenmenschen aufspielen, nach 1945 im großen Maßstab und mit der Verve, die Lehren aus dem Holocaust und dem SS-Staat gelernt zu haben, verweigern anscheinend dem Nationalstaat die Legitimation. Daher der supranationale Charakter der EU.

Blöd nur, dass Kroatien oder die Mini-Länder Estland, Lettland, Litauen und andere (wie Kosovo) gerade das Gegenteil beweisen: es gibt heute viel mehr Staaten in Europa als vor 1989/1991 (Ende der DDR/Ende der UdSSR). Gleichermaßen ist den Europäern bewusst, dass im Nahen Osten Staaten existieren, die niemals grundsätzlich in Frage gestellt werden (wie Marokko oder Saudi-Arabien, der Iran etc. etc.).

Für Hazony liegt das in der Philosophie Immanuel Kants begründet. Demnach ist für Kant in dessen politischem Testament „Zum ewigen Frieden“ das Ende von stehenden Heeren und Staaten zwar Utopie, doch es gebe unterschiedliche Formen „moralischer Reife“. Von Muslimen oder Arabern könne man so eine Kantsche Politik der Überwindung von Staaten und Heeren nicht erwarten. Juden und Israel hingegen müssen sich an Kant (oder heute: Jürgen Habermas, Seyla Benhabib, Judith Butler/Micha Brumlik) orientieren, sie seien bereits „moralisch reif“, Muslime oder Araber noch im Stadium des „Kindes“, also „unreif“.

 

Für Hazony gibt es zwei Paradigmen nach 1945:

 

Paradigma A: Auschwitz bedeutet das unsagbare Entsetzen jüdischer Frauen und Männer, die nackt und mit leeren Händen dastehen und zusehen müssen, wie ihre Kinder sterben, weil es ihnen an einer Waffe fehlt, mit der sie sie beschützen könnten.

Paradigma B: Auschwitz bedeutet den unsagbaren Schrecken, den deutsche Soldaten verbreiten, die Gewalt gegen andere anwenden und von nichts anderem legitimiert werden als den Ansichten ihrer Regierung über ihre nationalen Rechte und Interessen.

 

Europa steht für Paradigma B. Der Nationalsozialismus wird als ein extremer Nationalstaat gesehen und gerade nicht als anti-Nationalstaat. Europa steht in deren Augen für diejenige Instanz, mit zärtlichsten Gefühlen und der ernsthaften Überzeugung  für das Gute und Kantsche auf der Welt einzutreten. Das heißt jedoch konkret, dem Judenmord der fanatisierten arabischen Massen im Nahen Osten, zumal im „Westjordanland“ wo Straßen und Plätze nach suicide bombern benannt werden, Tür und Tor zu öffnen. Gleichzeitig wird Juden Tür und Tor Israels als immerwährendem Zufluchtsort vor Judenhass (wie in der Sowjetunion und ex-Sowjetunion, oder im heutigen Frankreich, in Schweden, Holland, Deutschland etc. etc.) verweigert.

Micha Brumlik, die Evangelische Akademie Arnoldshain und ihr Sprachrohr, die Monatszeitschrift „KONKRET. Organ für distinguierten Israelhass mit Koscherstempel“, schlagen sich auf die Seite Europas und gegen die Juden und Israel.

Man denke an Ignatz Bubis, der von genau diesem immerwährenden Rückkehrrecht von Juden nach Israel Gebrauch machte, als er, geschlagen vom elenden Antisemitismus der Deutschen und Martin Walser, sich in Israel beerdigen ließ. Nach der umwerfenden Logik von Micha Brumlik und seinen Helfershelfern hätte eine solche Bestattung eines Juden in Israel keinen arbeitsmarktpolitischen Sinn und wäre zu verweigern. Sollen die Neonazis doch Bubis‘ Grab beschmieren, aufs Ekligste beschädigen und den Grabstein zerstören, wie sie wollen.

Der nüchterne Ton von KONKRET und von Brumlik ist Strategie. Sie wollen nicht nur ein kleines Strohfeuer des Israelhasses, wie wir es aus unendlich vielen kleinen Skandalen von Süddeutscher Zeitung bis Jakob Augstein und Günter Grass kennen.

Sie wollen vielmehr eine langfristig angelegte Delegitimationskampagne gegen den jüdischen Staat Israel fahren und werden in Haftung zu nehmen sein, wenn Juden sich in Jahren oder Jahrzehnten tatsächlich wieder dem rasenden Mob der Judenmörder ungeschützt ausgeliefert sehen, in Tel Aviv, Jerusalem, oder Eilat. Die IDF wird jeden Krieg gewinnen, es ist einfach eine viel zu gut ausgerüstete Armee.

Doch den Krieg der Ideen wird Israel weiter verlieren, solange Leute wie Micha Brumlik, Einrichtungen wie die Evangelische Akademie Arnoldshain oder die Zeitschrift KONKRET der lethal Obsession auch noch einen Koscherstempel geben.

 

 

 

Der Autor, Dr. phil. Clemens Heni, ist Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism( BICSA), www.bicsa.org