Wissenschaft und Publizistik als Kritik

Monat: November 2018

Was hat der rechtsextreme Mord am Vorsitzenden der sozialistischen Partei Japans mit dem Israelkongress in Frankfurt am Main zu tun?

Von Dr. Clemens Heni, 21. November 2018

Am 25. November findet in Frankfurt ein „Israelkongress“ statt. Der gut gemeinte Kongress wird durch die Einladung eines Unterstützers der Neuen Rechten ins Absurde verkehrt.

 

Organisiert wird der Israelkongress seit Jahren vom Verein „I Like Israel“. Es ist sehr bedeutsam, sich mit Israel zu befassen und sich für den Judenstaat einzusetzen, gerade angesichts eines stark zunehmenden Antisemitismus und einer Israelfeindschaft bis weit in die Mitte der Gesellschaft. Auf dem Kongress soll der Stadtkämmerer von Frankfurt am Main, Uwe Becker (CDU), für seinen „Einsatz zur Förderung der deutsch-israelischen Beziehungen und der deutsch-israelischen Städtepartnerschaften“ geehrt werden. Grußworte von Angela Merkel und Benjamin Netanyahu per Video sind ebenso angekündigt.

Doch dann kommt der Schock: Einer der Redner bzw. Moderatoren der eintägigen Veranstaltung ist ein international führender, einflussreicher Unterstützer der Neuen Rechten: der amerikanische Historiker und Nahostforscher Daniel Pipes. Er unterstützt den vorbestraften rechtsextremen Schläger Tommy Robinson aus England ebenso wie die deutsche, extrem rechte, Pro-AfD-Internetseite Journalistenwatch. Die Beziehung von Pipes zu Journalistenwatch, die für ihre Agitation gegen die Holocaustüberlebende und ehemalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, berüchtigt ist, hat die Wochenzeitung Die Zeit im Dezember 2017 aufgedeckt.

Ich selbst kenne Pipes und habe mit seinem Middle East Forum (MEF) früher kooperiert, weil er sich angeblich, so sein Tenor über viele Jahre hinweg, gegen die antimuslimische Agitation in den USA aussprach und nachdrücklich, gerade als Historiker und Islamforscher, für die Unterscheidung von Islam als Religion und Islamismus als äußerst gefährliche Ideologie einsetzte. Dafür wurde Pipes in USA von vielen rassistischen antimuslimischen Kreisen häufig diffamiert. 2016, schon vor der US-Präsidentenwahl, trat er sogar aus der Republikanischen Partei aus, weil ihm die Volksverhetzung und der brutale, unzivilisierte Habitus von Trump angeblich zuwider waren.

Die Wahl von Trump hat gleichwohl eine noch viel stärkere Fanatisierung von Leuten wie Pipes bewirkt. Nun unterstützt er ganz offen Rechtsextreme und Schläger (die eine noch brutalere Qualität haben als der von Pipes ebenso geschätzte und unterstützte holländische, neu-rechte, antimuslimische wie antisemitische Agitator Geert Wilders), die sich gegen den Rechtsstaat wie in Großbritannien wenden: Das ist der Fall Tommy Robinson. Zu einer Veranstaltung mit Abgeordneten der Republikanischen Partei war Robinson am 14. November 2018 von Pipes und dem Middle East Forum (MEF) zu einem Symposium nach Washington, D.C., eingeladen worden. Dort gab es von einigen wenigen Leuten Protest gegen den Rassismus und Neonazismus von Robinson, wie man auf einem Video sehen kann.

Seit dem Bericht in der Zeit von Dezember 2017 sowie einer im November 2017 erschienenen Kritik von mir in der Times of Israel an den extrem rechten Tendenzen in der Pro-Israel- und Anti-Islamismus-Szene (die zu einer Anti-Islam-Szene mutierte oder das immer war) war meine Beziehung zu Pipes und dem Middle East Forum beendet. Schon zuvor war deutlich geworden, dass ich die Unterstützung des MEF dazu verwendete, Antifa-Bücher wie von Anton Maegerle („Vom Obersalzberg bis zum NSU“) oder linkszionistische Bände wie meine Studie über Kritische Theorie und Israel in meinem Verlag Edition Critic zu publizieren.

In einer Zeit, wo (häufig staatlich alimentierte) Einrichtungen wie Jüdische Museen Pro-BDS-Veranstaltungen organisieren wie in Berlin, wo ein Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) an der TU Berlin schon mal Antizionisten beschäftigte oder seit Jahren den Antisemitismus verharmlost und den Islamismus schön redet; in einer Zeit, in der NGOs wie die Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main in Sammelbänden Pro-BDS Texte wie von einer Doktorandin jenes ZfA publiziert und Antisemitismus kategorial mit einer angeblichen „Islamophobie“ analogisiert (und den Rassismus gegen alle Nicht-Muslime klein redet) und so tut, als seien sie dort gegen Islamismus und Antisemitismus; angesichts dieser islamophilen, unkritischen und häufig antiisraelischen oder die kritische Antisemitismusforschung behindernden Zeit und dieser deutschen Normalzustände hat man nicht immer die ganz große Auswahl der Kooperationspartner.

Es gibt junge Forscher (wie Samuel Salzborn), die eigentlich durchaus kritisch sind gegenüber dem Islamismus – oder gegenüber dem Kopftuch, dessen Ablehnung von sehr vielen sich links dünkenden Forscher*innen als „islamophob“ diffamiert wird, was Salzborn richtigerweise vehement kritisiert und sich für eine Kopftuchkritik einsetzt, denn das Kopftuch bei Kindern unter 14 fällt nicht nur meines Erachtens in die Kategorie Kindesmisshandlung und bei allen anderen in die Kategorie Fanatismus, wobei Jugendliche von 14–18 ja fast immer unter der Fuchtel von Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Onkel, Tante etc. stehen oder deren islamistische Imperative internalisiert haben) – und auch den Antisemitismus kritisieren, die aber dann (wie Salzborn) aus Karriere- oder sonstigen Gründen affirmativ Texte sehr einflussreicher Kollegen zitieren (wie von Werner Bergmann), ohne zu erwähnen, dass in genau einem solchen zitierten Text die jüdische Kritik am „ewigen Antisemiten“ mit dem Nazi-Topos und Nazi-Film „Der ewige Jude“ analogisiert wird.[i] Kein Wunder, dass Salzborn dann später bei genau diesem ZfA, das der Antisemitismusforschung so viel Schaden zugefügt hat, angeheuert hat. Solche Referenzen zahlen sich früher oder später aus.

Zurück zu Tommy Robinson, den Pipes so lautstark öffentlich unterstützt. Robinson ist ein enger Freund von Gavin McInnes, der in USA lebt und mit dem er nun eine Vortragsreise nach Australien plant. Wer ist McInnes? Am 12. Oktober 2018 fand eine Veranstaltung im Metropolitan Republican Club in New York City mit den 2016 von McInnes gegründeten „Proud Boys“ statt. Sie sind als rechtsextreme Schläger in ganz USA bekannt. McInnes war einer der Mitbegründer des Vice-Magazins und wird als früher Protagonist der Hipster-Bewegung betrachtet. 2008 verließ er Vice. Im August 2018 sperrte Twitter seinen Account und den anderer „Proud Boys“ wegen deren Extremismus. Das Southern Poverty Law Center in USA stuft sie als Hassgruppe ein.

Am 12. Oktober 1960 ermordete der Rechtsextreme Otoya Yamaguchi den Vorsitzenden der sozialistischen Partei Japans, Inejiro Asanuma, auf einer Wahlkampfveranstaltung in Tokio mit einem Samuraischwert. Dieser brutale Mord wurde nun am 12. Oktober 2018 von Gavin McInnes im Metropolitan Republican Club nachgespielt – mit einem Plastikschwert in der Hand nahm er die Rolle des Mörders ein und meinte, diese Szene sei „sehr inspirierend“.

Yasushi Nagao, Seventeen-year-old Otoya Yamaguchi uses a foot-long sword to kill Japan Socialist Party leader Inejiro Asanuma on a public stage in Tokyo during a live televised debate on October 12, 1960.

Die Japan Times ist fassungslos aufgrund dieser rechtsextremen Tötungsverherrlichung in den USA. McInnes möchte den Sozialismus oder die Linke in USA töten, so wie Yamaguchi in Japan vor Jahrzehnten den Vorsitzenden der sozialistischen Partei ermordet hat. Das Nachspielen dieses Mordes am gleichen Datum, einem 12. Oktober, läuft einem kalt den Rücken hinunter. Nazis freuen sich: nach der Vorführung in New York gingen die Proud Boys auf die Straße und verprügelten auf brutale Weise Antifas.

McInnes’ Mordfantasien passen zu seinem Freund Tommy Robinson. Letzterer wurde im Mai 2018 wegen wiederholten Verletzens des britischen Rechts und unter absichtlichem Ignorieren der Warnung von Seiten der Justiz, einen laufenden Prozess, bei dem es um Muslime und Vergewaltigung geht, nicht durch Filmen und Live-Berichterstattung via Facebook oder andere Medien zu behindern und Geschworene wie Richter zu beeinflussen sowie Angeklagte vorzuverurteilen, inhaftiert.

Robinson bekommt massive politische wie finanzielle Unterstützung vom Middle East Forum (MEF), einem Thinktank aus Philadelphia in USA, und dessen Präsidenten Daniel Pipes. Dank der finanziellen und politischen Hilfe von Pipes und einer sehr großen rechtsextremen Kampagne in Großbritannien wurde Robinson Anfang August (vorübergehend) wieder aus der Haft entlassen.

Robinson verletzte absichtlich Persönlichkeitsrechte von Angeklagten – und wird von Pipes unterstützt. Das ist ein unglaublicher Vorgang und hätte nie zur Einladung von Pipes gerade 2018 zum Israelkongress in Frankfurt am Main führen dürfen. Aber schon Pipes’ Unterstützung der Pro-AfD-Hetzseite Journalistenwatch 2017 hätte es dem Organisator des Kongresses, Sacha Stawski, verdeutlichen müssen, dass so ein AfD-Freund nichts auf einem solchen Kongress, wenn er als seriös gelten möchte, zu suchen hat. Doch die Einladung geschieht offenkundig sehenden Auges.

In England ist die Diskussion über Robinson seit Jahren sehr scharf, jüdische Zeitungen wie der Jewish Chronicle und dessen Herausgeber Stephen Pollard betonen nachdrücklich, dass gerade jüdische Unterstützer von Robinson die schlimmsten Feinde (gerade von Juden wie dem Jewish Chronicle) seien. Das schrieb Pollard schon 2017, bevor er wissen konnte, dass Pipes Robinson 2018 unterstützen würde. Auch ein weiterer Autor des Jewish Chronicle, David Aaronovitch, wendet sich 2018 vehement gegen Tommy Robinson.

Robinson hat ca. 800.000 Anhänger*innen auf Facebook oder anderen sozialen Medien. Er wurde in kurzer Zeit geradezu zu einer Ikone des heutigen Rechtsextremismus. Er ließ sich in zwei langen Video-Gesprächen mit dem Verbreiter von Verschwörungsmythe Alex Jones von „Infowars“ promoten. Jones ist ein Radiomacher aus Texas und erreicht mit seinen Radioshows und Webseiten Millionen Zuhörer- und Leser*innen. Jones behauptet, der 11. September sei ein „Inside Job“ gewesen, Musikboxen würden Kinder „homosexuell machen“ und sagte im Dezember 2016, Hillary Clinton sei in einen mörderischen, Sex umwobenen Skandal in einer Pizzeria involviert und habe „persönlich Kinder getötet“. Dieser Verschwörungswahnsinn ging als „Pizza Hoax“ (oder „Pizzagate“) in die Geschichte ein, ein Krimineller stürmte wenig später mit einem Gewehr jene Pizzeria in Washington, D.C., schoss um sich und wurde zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Im August 2018 wurden die Accounts von Alex Jones von Apple, Facebook, Spotify und Youtube wegen seiner Hassreden gesperrt. Jones vertritt auch die antisemitische Ideologie, nach der hinter dem US Gesundheitssystem eine „jüdische Mafia“ stecken würde. Bombendrohungen gegen jüdische Einrichtungen hat er als womöglich absichtlich von Juden falsch gelegte Fährte bezeichnet. Trump ist ein Anhänger von Jones und sprach sogar mit dem Fanatiker in dessen Online-Show per Video-Schalte im Dezember 2015.

Tommy Robinson sprach mehrfach auf Pegida-Demonstrationen in Dresden, zuletzt im Oktober 2018. In den (a)sozialen Medien postete er Bilder von sich mit dem Pegida-Gründer, dem wegen Diebstahl, Drogenhandel, Körperverletzung und Volksverhetzung vorbestraften Lutz Bachmann, auf Teneriffa.

Pipes soll auf dem Israelkongress laut Programm ein Panel über „Koexistenz“ moderieren, auf dem auch die beiden in Deutschland aktiven Ahmad Mansour und Kim Robin Stoller sitzen. Weitere Teilnehmer*innen des Kongresse sind die Politologen Stephan Grigat und Matthias Küntzel, Harald Eckert von dem Verein „Christen an der Seite Israels“, Michael Spaney vom Mideast Freedom Forum Berlin (MEFF), Martin Patzelt (MdB, CDU),  Benjamin Steinitz von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS), Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Sebastian Mohr vom International Institute for Education and Research on Antisemitism (IIBSA), Nicola Beer, Generalsekretärin der FDP und MdB, Deidre Berger vom American Jewish Committee, eine ganze Reihe von Wirtschaftsvertretern, Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland und Vorsitzender der TuS Makkabi Frankfurt, Volker Beck (Ex-MdB, Bündnis 90/Die Grünen), Maya Zehden, Vizepräsidentin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), der Journalist Eldad Beck sowie dutzende weitere nationale wie internationale Rednerinnen und Redner.  Der international bekannteste Redner dieses Israelkongresses (von den Grußworten von Merkel etc. natürlich abgesehen) dürfte Daniel Pipes sein.

Regelrecht perfide wird es, wenn der Präsident von Eintracht Frankfurt und erklärte Antirassist Peter Fischer, der sich klipp und klar gegen die AfD ausgesprochen hat, zu diesem Israelkongress eingeladen ist, offenbar um zu suggerieren, dieser Kongress sei womöglich nicht rechts, sondern kritisch. Wurde Fischer über diese unglaublichen neu-rechten Bezüge dieses Israelkongresses in Kenntnis gesetzt?

Wer meint, Pro-BDS-Veranstaltungen, wie sie leider immer öfter vorkommen, würden Israel schaden, sagt nur die halbe Wahrheit. Denn Pro-BDS Events mögen Antisemiten anziehen, aber keine seriösen Journalist*innen, Politiker*innen oder Aktivist*innen. Wer jedoch Israelkongresse organisiert und dabei prominente Redner einlädt, die extrem rechte deutsche Homepages unterstützen und rechtsextreme, vorbestrafte Hetzer finanzieren und promoten, schadet Israel wirklich und zwar so massiv, wie die kleine Pro-BDS-Szene in diesem Land das gar nicht könnte.

Es muss um eine seriöse Israelsolidarität gehen, im besten Fall um einen Linkszionismus, der zudem sehr kritisch ist gegenüber der Regierung Netanyahu und allen extrem rechten Tendenzen in Israel wie gegenüber der Besatzung des Westjordanlandes, ohne auch nur eine Sekunde den palästinensischen oder islamistischen Antisemitismus in Nahost, die Anti-Israel Politik weiter Teile der EU und der UN oder die internationale, antisemitische BDS-Bewegung zu ignorieren oder zu verharmlosen.

Der ganze Israelkongress strotzt nur so von Affirmation israelischer Politik, Kritik am extrem rechten Kurs Israels in den letzten Jahren wird schon in der Ankündigung völlig derealisiert. Das Hofieren des Antisemiten und Verschwörungsanhängers Victor Orbán, der gegen den Juden George Soros eine widerwärtige antisemitische Kampagne in Ungarn organisierte, die die CSU und die AfD, aber auch Neonazis in ganz Europa und den USA faszinierte, das Kungeln mit der polnischen Regierung und deren Leugnung der Teilhabe von Polen am Holocaust (was in Israel sehr scharf kritisiert wird und Netanyahus Verhalten ist ideologisch und gerade nicht diplomatisch bestimmt), oder die massive Unterstützung des Rassisten, Sexisten und Antisemiten Donald Trump durch Netanyahu auch und gerade nach dem schlimmsten antisemitischen Massaker in der Geschichte der USA in Pittsburgh durch einen Neonazis, der wie Trump jene kleine Flüchtlingskarawane aus Südamerika an die mexikanisch-amerikanische Grenze zum Anlass nahm, Juden in einer Synagoge in Pittsburgh zu massakrieren, eine einzige Katastrophe. Entgegen den Juden in Pittsburgh stellte sich nämlich Netanyahu hinter Trump und behauptete, dieser sei nicht Antisemit. Dabei war Trump mit seiner Agitation gegen Flüchtlinge und Juden wie Soros, die Flüchtlinge unterstützten, mit verantwortlich für ein antisemitisches Klima, wie viele Kommentator*innen in USA betonen, exemplarisch Adam Server vom Atlantic) – und steht in eklatantem Widerspruch zur Kritik an Trump von der übergroßen Mehrheit der Juden in USA, die wiederum in übergroßer Mehrheit Israel unterstützen und Zionist*innen sind. Sinnbild dafür ist eine scharfe Kritik an Netanyahu und dem Nationalstaatsgesetz von Juli 2018 vom Präsidenten des World Jewish Congress, Ronald S. Lauder, in der New York Times – „Israel, this is not Who we are“.

Diese Kritik an Netanyahu und der rechten politischen Kultur in Israel aus dem Munde von Lauder, immerhin Präsident einer der größten jüdischen NGOs weltweit, ist sehr bedeutsam – spiegelt sich aber im Programm dieses Israelkongresses überhaupt nicht wider, der israelische Premier wie der Botschafter werden sprechen und es geht nur um eine Selbstbeweihräucherung. Das ist realitätsblind und ignoriert die massive jüdische Kritik an der israelischen Regierung in Israel wie auch in USA und andernorts – wie gesagt: das ist eine jeweils zionistische Kritik, die Israel verbessern (dramatischer: retten) möchte und gerade deshalb gegen Bibi, die Besatzung und extreme Rechte engagiert ist.

Solche israelkritischen Töne der mit riesigem Abstand größten jüdischen Gemeinde außerhalb Israels, sind also in Deutschland so gut wie nirgends zu hören, von post- oder antizionistischen Juden mal zu schweigen. Manche kritzeln lediglich für ihre Hauspostillen (wie die Bahamas, die auch Texte des US-Präsidenten Trump publiziert und dessen Sexismus, Rassismus und Antisemitismus wie seinen nie dagewesenen antidemokratischen Ton goutieren, weil er doch gegen das iranische Regime sei), andere angeblichen Israelfreunde liebäugeln mit rechtsextremen Juden (wie den Juden in der AfD), die vom Zentralrat der Juden genauso abgelehnt werden wie die AfD insgesamt (namentlich die deutlichen Worte des Zentralratspräsidenten Josef Schuster sind hier zu nennen) oder loben die AfD-Führung wie Gauland (so der Publizist Thomas Maul).

Wie das „Linke Bündnis gegen Antisemitismus München“ untersucht hat, ist die AfD München (die hier nur exemplarisch steht für die gesamte AfD) antisemitisch – und auch das hat mit Pipes und dem Middle East Forum zu tun, wie das Bündnis betont.[ii]

Das alles ignoriert dieser Israelkongress und promotet Daniel Pipes. Das stört keine Referentin und keinen Referenten, die ja alle seit Wochen lesen können, dass Pipes dort sprechen wird. Warum sollte es sie auch stören, wenn doch die ARD aus einem Krimi eine Szene retuschiert, weil dort ein Anti-AfD Aufkleber zu sehen war und sich die Faschos bei der ARD beschwert hatten? Mittlerweile gilt also das Geblöke von Neonazis und ihren Fans mehr als die Kunstfreiheit von Filmemacher*innen und die Kritik am Rechtsextremismus und Antisemitismus der AfD. Insofern passt dieser Israelkongress ganz wunderbar zum Mainstream in diesem Land.

Seriöse Israelfreunde und Antifas sind jedoch „noch nicht komplett im Arsch“.

 

 

[i] „Aber auch wenn der Antisemitismus sicherlich ein integraler Bestandteil des abendländischen ‚Kulturerbes‘ und emotional stark besetzt ist – wie jedes Vorurteil –, so steckt im Begriff des ‚ewigen Antisemiten‘ doch die gleiche falsche Anthropologisierung und Naturalisierung wie im ‚ewigen Juden‘.“ Vgl. dazu meine Kritik in Clemens Heni (2018): Der Komplex Antisemitismus. Dumpf und gebildet, christlich, muslimisch, lechts, rinks, postkolonial, romantisch, patriotisch: deutsch, Berlin: Edition Critic (The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA), Studien zum Antisemitismus, Band 7), S. 48.

[ii] „Auch andere führende Mitglieder der Münchner AfD unterhalten beste Beziehungen zu antisemitischen Kreisen. Der bereits genannte Rainer Gross ist zugleich Vorsitzender der Gustav-Stresemann-Stiftung[51], die mit der Desiderius-Erasmus-Stiftung um den Status als offizielle parteinahe Stiftung rang und dabei verlor. Während letztere vom neoliberalen Flügel der AfD unterstützt wurde, zählte vor allem der völkische Flügel zur Anhängerschaft der Stresemann-Stiftung[52]. Finanziert wird sie vom Middle East Forum, das auch das für seine geschichtsrevisionistische und antisemitische Propaganda bekannte Portal Journalistenwatch bezahlt. Zudem hat auch die Initiative „Einprozent“ finanzielle Unterstützung angeboten, die aus dem Umfeld von Götz Kubitschek und den bereits erwähnten Jürgen Elsässer und Karl Albrecht Schachtschneider stammt und über gute Verbindungen zur Identitären Bewegung verfügt. Ähnlich wie Elsässer ist auch Kubitschek vielfach mit antisemitischen Äußerungen aufgefallen[53]. Und ähnlich wie für Elsässers Compact gilt auch für die Zeitschrift Sezession, für die Kubitschek als Chefredakteur arbeitet, dass diese antisemitische Propaganda verbreitet“, https://lbga-muenchen.org/2018/11/19/die-muenchner-afd-und-der-antisemitismus/?fbclid=IwAR1YqVXMYaPMKcw0gkdba_ZYKpzTUateFdO6e-LD4je3sgSkWxqQ_sMy9As (20.11.2018). Zum Middle East Forum und Pipes und deren Unterstützung der Stresemann-Stiftung siehe auch Nico Schmidt (2017): Stresemann-Stiftung erhielt Geld rechter US-Finanziers. Die AfD-Führung will eine neue, parteinahe Stiftung etablieren. Deren Historie führt ins neurechte Milieu und zu amerikanischen Geldquellen, 22.12.2017, https://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-12/afd-stiftung-gustav-stresemann-usa-finanzierung (20.11.2018).

©ClemensHeni

Feine Sahne Fischfilet – die coolste Antifa-Band und die kritische Antisemitismusforschung

Seit Dessau weiß es auch das ZDF (Brauhaus statt Bauhaus): Die coolste und meist gehasste aller Antifa-Punk-Bands unserer Zeit heißt Feine Sahne Fischfilet:

Natürlich kommen Feine Sahne Fischfilet auch in meinem neuen Buch

Der Komplex Antisemitismus” (Berlin, Edition Critic, 2018) vor:

Das ebenso obercoole Label Audiolith hat mir jetzt dieses Hammer-Bild geschickt, mit Jacobus und Christoph:

Jacobus North (li.) und Christoph Sell von Feine Sahne Fischfilet mit meinem neuen Buch, Foto@audiolith, Hamburg

Danke an Feine Sahne Fischfilet für eure coole Mucke, für musikalische Antifa und die Kraft zum Widerstand gegen die doitschen Zustände, die ihr unzähligen Leuten gebt!!! Und für den Spaß natürlich 😉

©ClemensHeni

Antisemitismus heute – in Deutschland – zum 80. Jahrestag der Pogromnacht vom 9. November 1938

Von Dr. Clemens Heni, 10. November 2018

Auf Einladung der Kommende Dortmund und von Dr. phil. Dr. theol. Richard Geisen war ich am Donnerstag, den 8. November 2018 in Dortmund in der Reihe “Querdenker” zu einem Gesprächsabend zum Thema “Antisemitismus heute – in Deutschland” eingeladen.

Die ca. 70 Besucher*innen der Veranstaltung hörten sich in der ersten Halbzeit (ca. 60 Minuten) die Fragen von Richard Geisen  sowie meine Antworten zu verschiedenen Facetten des Antisemitismus in Deutschland an.

Ein zentraler Aspekt war hierbei die Frage nach der Bedeutung des neuen Nationalismus in Deutschland seit dem “Sommermärchen” von 2006. Ebenso kamen historische Aspekte des Antisemitismus wie der katholische Bund Neudeutschland, wie auch der heutige Islamismus zur Sprache.

Eine engagierte Besucherin der Veranstaltung sprach mich schon vor Beginn an und betonte, wie schockiert sie als 16jährige junge Frau im Jahr 1957 war, als sie aus eigenem Interesse “Mein Kampf” las, das alle Paare in der Nazizeit zur Hochzeit bekommen hatten. Und schon vor 1933 war u.a. durch “Mein Kampf” der Antisemitismus (Hitlers) allen bekannt. Solche Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern waren sehr wichtig und aufschlussreich.

Klaviermusik, eine Pause mit warmen Brezeln, Getränken und Gesprächen sowie eine ca. einstündige Fragerunde (die zweite Halbzeit) rundeten den Abend ab. In der Pause lag zudem ein Handout von mir aus, das ich hier dokumentiere.

Dr. Richard Geisen und Dr. Clemens Heni, Foto: Copyright@KommendeDortmund

Ein weiterer etwas älterer Teilnehmer betonte in der Diskussion, wie abstoßend er die deutsche Nationalhymne und ihren Text findet, was ich sehr gut nachvollziehe und mit dem Hinweis auf die Kritik an Hoffmann von Fallersleben des Pädagogen Prof. Benjamin Ortmeyer unterstrich. Einige Teilnehmer*innen sahen das erwartungsgemäß ganz anders und folgen eher der stolzdeutschen Linie, manche waren gar ob meines Hinweises überrascht, dass es mitunter Menschen gibt, die eine europäische Fahne benutzen statt einer deutschen.

Clemens Heni und Richard Geisen, Foto: Copyright@KommendeDortmund

Zwei weitere Teilnehmer*innen, offenbar eine Tochter mit ihrer Mutter (ca. 60 bzw. ca. 83 Jahre alt) waren schon gemeinsam in Israel und berichteten von der dramatischen Aussicht vieler französischer Juden – in den letzten Jahren seien 40.000 Juden aus Frankreich nach Israel emigriert, was ich insofern bestätigte, als jedem, der oder die mal in Netanya an der Strandpromenade spazierengeht, auffällt, dass dort primär französisch und nicht hebräisch gesprochen wird, um das mal überspitzt zu formulieren.

Richard Geisen und Clemens Heni, Foto: Copyright@KommendeDortmund

Ganz herzlichen Dank an Richard Geisen für die Einladung und den sehr informativen, politisch sehr bedeutsamen Abend und namentlich das von ihm intensiv vorbereitete Gespräch!

©ClemensHeni

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